Jahresausstellung 2017: „Armer Hansi (Reeducational Complex)“

Armer Hansi (Reeducational Complex)
Jahresausstellung 2017

 

Armer Hansi* (The Reeducational* Complex*)

Der Neubau der Nürnberger Akademie 1954 kann als Entnazifizierung der Institution gelesen werden. Auf unbeflecktem Boden, im Idyll des Schmausenbuck darf sich der von den Nationalsozialisten geschmähte Modernist Sep Ruf austoben – nur um erneut Ideologie in Beton zu gießen. Ein radikal moderner Neubau, der jede fassaden- hafte Repräsentation vermeidend Innen- und Außenräume verschmelzen lässt, soll die Wiege des neuen demokratischen KünstlerIn werden – unbelastet in kontemplativer Naturbeobachtung und flachen Hierarchien erblühend. Durch das Ausstellen des leeren renovierten Pavillons, verstanden als Annäherung an die ursprüngliche Architektur von 1954, soll die Diskussion um Ideologie damals und heute wieder eröffnet und in die nächste Runde getragen werden.
Als Ausstellungsraum für die Arbeiten der Klasse dient die Aula. In direkter Nachbarschaft zum Pavillon – getrennt durch alten Baumbestand und Wiese – eröffnet sich eine Achse in der Sep Rufs Architekturkonzept auf die Realität des Akademiealltags trifft und in dieser Kollision die damit verbundenen Weltanschauungen sichtbar werden.
Die Aula als fast sakraler Bau, als Ort des Vortrags und der akademischen Zeremoniells verortet die Arbeiten der Studierenden aus der Sphäre des Arbeitens in die des Zeigens. In der ursprünglichen Architektur war keine Ausstellung in den Pavillons vorgesehen – diese dienten als reine Arbeitsräume. Die Aula hingegen ist in diesem Kontext der semiöffentliche Ort und die Schnittstelle nach außen.
Während der Ausstellung wird der Raum von einer grossen Bodenarbeit aus leuchtenden Farbpanelen beherrscht. Diese übersetzt einen Entwurf von Günther Walter aus dem Jahre 1966 – damals als spektakuläre Aula-Dekoration für das Sommerfest konzipiert. Günther Walter studierte bei Prof. Gerhard Wendland ebenfalls im Pavillon 13, genau dort, wo heute seine Tochter Mirjam Walter in der Klasse Freie Kunst mit Schwerpunkt Malerei studiert.
Zwischen beiden Orten liegt die parkähnliche Freifläche mit Bäumen. In diesem, an die platonische Akademie erinnernden Ausbildungsdyll, steht eine Bühne, welche die Proportionen des Pavillons um den Faktor 0,71 verkleinert aufnimmt. Wie der Pavillon, so ist auch die Bühne dreigeteilt. Eine grössere Bodenfläche, die vor der Eröffnung der Ausstellung als Freiatelier diente und sich nach der Eröffnung in Treffpunkt und Bühne verwandelt, eine Bar und einem grossen, wasserdicht verpacktem Materialberg, der alle Gegenstände, Werkzeuge, Geräte und Arbeitsmaterialien aus dem Inneren des Pavillons umfasst und deren gesamtes Volumen sichtbar macht.

*1
Die Deutsche Zeichenfilm GmbH war eine von 1941 bis 1944 aktive Produktionsfirma für Animationsfilme. Sie wurde im nationalsozialistischen Deutschen Reich gegründet und sollte als deutsches Konkurrenzunternehmen zum weltweit domi- nierenden US-amerikanischen Walt Disney Trickfilmkonzern aufgebaut werden. Aufgrund der geringeren Ressourcen und der Belastungen durch den Krieg scheiterte dieses Vorhaben.In der firmeneigenen Zeichenschule sollten die Zeichner intensiv geschult werden, um so den Vorsprung der US-amerikanischen Trickfilmproduktion aufholen zu können. Bereits im Jahr 1947 sollte der erste abendfüllende Film realisiert werden, vollendet wurde jedoch lediglich der farbige Kurzfilm „Armer Hansi“  aus dem Jahr 1943, da die Arbeiten wegen der zunehmenden Kriegseinwirkungen von Berlin nach München und Wien verlagert wurden. Im Oktober 1944 wurde die Gesellschaft schließlich aufgelöst.

*2
Allen Besatzungsmächten gemeinsam war der Wunsch, Deutschland solle nach der militärischen Beendigung der Zeit des Nationalsozialismus zu einer friedlichen, demokratischen Gesellschaft umgeformt werden. Die Bildungspolitik sollte ein wichtiger Baustein diesesProzesses sein. Zu unterscheiden sind bei der Reeducation kurzfristige Maßnahmen, die sich vor allem an die erwachsene Bevölkerung richteten, und langfristige Maßnahmen, welche durch eine besondere Bildungspolitik die Umerziehung der jüngeren Generation sowie der Nachfolgegenerationen sicherstellen sollten.

*3
In 1995, Mike Kelley devised the „Educational Complex“, an amalgam of every school he attended and of the house he grew up in, „with all the parts I couldn‘t remember left out“– a total environment, „sort of like the model of a Modernist community college.“ The blind spots in this model represent forgotten („repressed“) zones, and so are reconceived by Kelley as sites of institutional abuse, for which specific traumas were devised (each having their own video and sculptural component). For Kelley, this work marks the beginning of a series of projects in which pseudo-autobiography, repressed-memory syndrome and the reinterpretation of previous pieces become the tools for a poetic deconstruction of such com- plexes and the way we interact with and narrate them. A ‘complex’ can be an architectural configuration, a psychological syndrome or a political apparatus.

1.Julia Himmelhuber
2. Miruna Gavaz, „I feel pretty“/ „Clarissa Zimmermann in Roth Vordaner“/ „F wie Schuld“
3. Nele Jäger, „Haus der Kunst“
4. Julia Himmelhuber
5. Max Hanisch, „THEENDISNEVERTHEENDISNEVERTHEEND…“
6. Fabian Bertelshofer, o. T. (anotherbreath)
7. Monique Haber, o. T.
8. Monique Haber, „Haltung“
9. Mirjam Walter, o. T.
10. Mirjam Walter, o. T.
11. Mirjam Walter, o. T.
12. Andrea Hauer, „You can run but you can’t hide (Her name is Ocean, I met her at the sea)“
13. Max Hanisch, „Someday Somewhere“
14. Leonie Elpelt, „Wesentliches 1-3“
15. Julia Werner, Pigeon Superstition
16. Jonas Tröger, „Guiseppe Tröger“
17. Jonas Tröger, „Bedenken Sie: Sobald sie den Eingang passieren, werden Sie Teil der Ausstellung“
18. Janos Schäfer, „Ultrachrome“
19. Nicole Knap, „Just the two of us“
20. Miruna Gavaz, „RARA“
21. Max Hanisch, „Lost a friend“
22. Evelyn Kliesch, „Du willst immer alles und dann willst du ́s nicht mehr (break up with your boyfriend)“
23. Nicole Knap, „PROSTOR“
24. Jonas Tröger, „49°26`53.84N 11°07`55.64E“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Miruna Gavaz

 

 

 

 

 

 

 

 

Monique Haber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mirjam Walter

 

 

 

 

 

Max Hanisch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fabian Bertelshofer

 

 

 

Nele Jäger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andrea Hauer

 

 

 

 

 

 

 

 

Leonie Elpelt

 

 

 

 

 

 

 

Julia Werner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jonas Tröger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Janos Schäfer

 

 

 

 

 

 

 

Nicole Knap


 

 

 

 

Julia Himmelhuber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Evelyn Kliesch

 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar